Reiterhof: In Sanftmut begraben

Das Leben ist kein Ponyhof

Bevor gleich irgend­je­mand stau­nend aus der Wäsche guckt: Der nun fol­gen­de Text wird von einem Pferd han­deln, von mir und mei­ner kur­zen, aber umso hef­ti­ge­ren Rei­ter­kar­rie­re. Dass ich plötz­lich über die­ses (zumin­dest aus Sicht des sonst hier ins Netz Gebla­se­nen) doch recht absei­ti­ge The­ma schrei­be, dafür darf sich der geneig­te Leser/​die geneig­te Lese­rin bei Anne Schüß­ler bedan­ken. Mit die­sem Blog­post hier hat sie vor ein paar Tagen jeden zur Ver­öf­fent­li­chung der eige­nen Pony­hof-Geschich­te ani­miert, der die­se ger­ne ver­öf­fent­li­chen möch­te. Das ist also mein Bei­trag zu die­ser Blog­pa­ra­de. Denn beim Lesen zwei­er oder drei­er Arti­kel fiel mir plötz­lich sied­end­heiß ein, dass ich ja auch eine Pony- oder Rei­ter­hof-Geschich­te zu erzäh­len habe. Und die geht so:

»Tre­ten! Du musst sie jetzt tre­ten.« Ver­dutzt schaue ich den Mann an, der mir die­sen Rat­schlag gibt. Auch wenn er von mäch­ti­ger Sta­tur ist, muss ich ein wenig zu ihm her­un­ter­bli­cken, denn aktu­ell sit­ze ich auf dem Rücken eines Pfer­des. Und die­ses Pferd ist auch die »Sie«, die der Reit­leh­rer von mir getre­ten wis­sen will. Weil ich nicht auf Anhieb reagie­re, wie­der­holt der mäch­ti­ge Mann sein Kom­man­do. »Tre­ten! Mit der Hacke.« Natür­lich mit der Hacke. Das »Wie?« ist auch gar nicht mei­ne Fra­ge. Eher das »War­um?« Ja, ich habe in der Ver­gan­gen­heit schon ein paar Lebe­we­sen getre­ten. Größ­ten­teils han­del­te es sich dabei um Jungs, Spie­ler der ande­ren Mann­schaft, die mit dem Ball am Fuß an mir vor­bei woll­ten. Die­sen Vor­wurf kann man die­sem Pferd nun gera­de wirk­lich nicht machen.

Ich war zehn, viel­leicht elf Jah­re alt, als ich dort oben saß. Mit Pfer­den hat­te ich eigent­lich gar nichts am Hut, aber Bir­te – Toch­ter der bes­ten Freun­din mei­ner Mut­ter und Spiel­ge­fähr­tin seit Vor­kin­der­gar­ten­zei­ten – hat­te in letz­ter Zeit immer wie­der begeis­tert von ihren Stun­den auf dem Rei­ter­hof erzählt. Irgend­wie hat­te sie mich damit an den Punkt gebracht, es zumin­dest ein­mal aus­pro­bie­ren zu wol­len. So lie­ßen wir uns eines Nach­mit­tags von ihrer Mut­ter zu dem Hof fah­ren. Bir­te hat­te ihr Stamm­pferd und mir als blu­ti­gem Anfän­ger wur­de ein Tier unter­ge­ju­belt, dem man bei unse­rer Vor­stel­lung die Prä­di­ka­te sanft­mü­tig, kin­der­lieb und beson­ders neu­lings­freund­lich ver­pass­te. Und kurz nach­dem wir uns ken­nen gelernt hat­ten, soll­te ich die­ses sanft­mü­ti­ge Wesen also tre­ten. No Way!

Irgend­wie scheint der Reit­leh­rer ein biss­chen auf­ge­ge­ben zu haben. Mitt­ler­wei­le hat er mir zwar den Grund für einen in sei­nen Augen drin­gend nöti­gen Hacken­tritt genannt, aber sein »Sie merkt sonst nicht, dass Du auf ihr sitzt und los­rei­ten willst.« hat mich nicht wirk­lich über­zeugt. Inzwi­schen küm­mert er sich mit sei­nen schnei­di­gen Kom­man­dos um die­je­ni­gen, die fröh­lich im Kreis her­um­rei­ten. »Zügel straf­fer! Ein biss­chen mehr Span­nung! Mit der Hal­tung wird das nix!« Wäh­rend­des­sen ste­hen mei­ne Stu­te und ich ein wenig in der Gegend her­um, völ­lig reg­los in der Mit­te des Krei­ses, den alle ande­ren rei­ten. Seit ich auf­ge­stie­gen bin, haben wir uns kei­nen Mil­li­me­ter bewegt. Wie peinlich.

Parkplatz für Pferde

Aber irgend­wie muss das doch auch ohne Tre­ten gehen, den­ke ich und wer­fe mein gesam­tes India­ner­fach­wis­sen in die Waag­scha­le. Wild schla­cke­re ich mit den Zügeln. Hat das bei Win­ne­tou nicht auch immer für einen gepfleg­ten gestreck­ten Galopp gereicht? Bei mir bringt das jeden­falls gar nichts. Ich bin und blei­be Sit­ting Bull. Nur nicht so anmu­tig. Mei­ne Damen und Her­ren, heu­te rei­tet für Sie: Pött­chen Doof auf Pik Sie­ben. Obwohl, rei­ten? Ste­hen. Mehr ist das nicht, mehr wird das auch nicht. Bis plötz­lich Bewe­gung in mei­nen eigent­lich reit­ba­ren Unter­satz kommt.

Doch es geht nicht nach vor­ne, es geht auch nicht zurück. Es geht nach unten. Viel­leicht hat sie wirk­lich nicht gemerkt, dass ich auf ihr sit­ze. Jeden­falls legt sie sich jetzt hin. Und ich hän­ge immer noch im Sat­tel. Nach­dem mich der Reit­leh­rer, vom Geläch­ter aller Anwe­sen­den beglei­tet, unter der Stu­te her­aus­ge­kramt hat, ver­brin­ge ich den Rest des Nach­mit­tags mies­muf­fe­lig an den Zaun des Reit­par­cours gelehnt – noch immer ganz erschro­cken von die­sem sanft­mü­ti­gen Erd­rutsch, der mich da bei­na­he unter sich begra­ben hätte.

Die Heim­fahrt ver­brin­ge ich schwei­gend. Bir­te ist auch so nett, kein Wort über mei­nen sen­sa­tio­nel­len Auf­tritt zu ver­lie­ren. Zuhau­se zeigt mei­ne Mut­ter für mei­nen Geschmack etwas zu viel Inter­es­se an mei­nem Nach­mit­tag. »Wie wars?« »Geht.« »Fährst Du nächs­te Woche wie­der mit?« »Bestimmt nicht.«

Tat­säch­lich hat mich der Rei­ter­hof nie mehr wie­der gese­hen. Und auch ande­re, ähn­lich gela­ger­te Frei­zeit­an­ge­bo­te habe ich seit­her gemie­den wie der Teu­fel das Weih­was­ser. Eini­ge Jah­re spä­ter habe ich statt­des­sen ange­fan­gen, auf einer Ves­pa zu rei­ten. Dass ich über­haupt kein Pro­blem hat­te, deren Kick­star­ter zu betä­ti­gen, möch­te ich nicht unbe­dingt auf die Erfah­rung mei­ner kur­zen »Rei­ter­kar­rie­re« schie­ben. Zusam­men­hän­gen könn­te es trotzdem.

8 Kommentare zu “Reiterhof: In Sanftmut begraben”

  1. Ein Jam­mer. Mich wür­de mal inter­es­sie­ren, wie vie­le Rei­ter kei­ne wur­den, weil sie an des­in­ter­es­sier­te Reit­leh­rer gerie­ten. Den Moment, als sich die Dame samt Gepäck­stück nie­der­ließ, hät­te ich den­noch gern gesehen. 

    Herr­lich geschrie­ben, danke :-).

    1. Ich glau­be, der war gar nicht des­in­ter­es­siert. Der wuss­te nur ein­fach nichts mit mir und mei­ner Hacken­tritt-Wei­ge­rung anzu­fan­gen. Irgend­wann hat der ein­fach auf­ge­ge­ben. Eigent­lich bin ich ziem­lich froh, dass damals an das stän­di­ge Her­um­tra­gen von Kame­ras noch gar nicht zu den­ken war. Für die­je­ni­gen, die das Spek­ta­kel heu­te ger­ne sehen wür­den, tut es mir natür­lich ein biss­chen leid. Also, fast irgendwie.

      1. Ich mag es, dass Du die Hacken­trit­te hin­ter­frag­test. Was für ein Unsinn. Schreibt die Rei­te­rin, die auch ohne Tre­ten das »Gas­pe­dal« gefun­den hat ;-).

      2. Mann sagt: »Mach das!« Ich mache es nicht und die Sache geht schief. Eigent­lich schien mir der Zusam­men­hang logisch, bis Du gera­de Dein tritt­lo­ses Gas­pe­dal erwähn­test. Das wäre also auch anders gegangen?

      3. Das Gas­pe­dal ist eher im Kreuz als in den Hacken zu fin­den :-). Ans Vor­wärts den­ken, eine Bewe­gung wie beim Kip­peln mit dem Stuhl, gleich­zei­tig die Wade andrü­cken und ein mun­te­res Schnal­zen oder ein fröh­li­ches »Na komm!« – da las­sen Dich die wenigs­ten Pfer­de ver­hun­gern. Sie müs­sen nur schon auch spü­ren, dass der Rei­ter auch wirk­lich los will. Klar gibt’s auch gera­de bei den Schul­pfer­den Voll­pro­fis, die ger­ne mal tes­ten, wie bequem sie es sich machen kön­nen. Da hilft es aber dann eher, ein Stöck­chen (=Ger­te) mit­zu­neh­men und nicht mit den Hacken im Pfer­de­bauch rum­zu­bo­xen. Einen unbe­que­men, wacke­li­gen Rei­ter mag kein Pferd gern tragen.

  2. Das erin­nert mich an mei­ne Zeit auf dem »Pony­hof Leit­ing«. Da wur­de Pony­rei­ten auch ange­bo­ten. Ich habs aber nie gemacht.

    Toll war jedoch der Kiosk, auf dem es Kau­gum­mi in Tüten gab, das auf der Zun­ge gepri­ckelt hat. Und die­se Uhren, die man Stück für Stück auf­es­sen konnte.

    Ich erin­ne­re mich, dass es auch rich­tig hohe Rut­schen dort gab. Wor­auf ich mich aber immer am meis­ten gefreut habe, waren die Tre­cker, von denen dort zwei sehr alte Exem­pla­re auf dem weit­läu­fi­gen Gebiet zur Zier­de her­um­stan­den. Da habe ich mich dann immer ger­ne drauf­ge­setzt, dann aber schnell die Lust ver­lo­ren. Egal, beim nächs­ten Mal habe ich mich wie­der auf die Tre­cker gefreut!

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