Gefangen in einer weit, weit entfernten Galaxie

Löhrzeichen
Foto: Leigh Antho­ny Dehaney

Ein Teil von mir ist gefan­gen an einem Frei­tag­nach­mit­tag. Ich bin neun Jah­re alt, Lan­do Cal­ris­si­an und C3-PO. Ges­tern haben wir »Die Rück­kehr der Jedi-Rit­ter« bei René geguckt. Heu­te wol­len wir den Film nach­dre­hen. Dirk hat die Kame­ra sei­nes Vaters mit­ge­bracht. Er ist Luke Sky­wal­ker. (Das funk­tio­niert in etwa wie beim Fuß­ball: Wer den Ball mit­bringt, darf Rum­me­nig­ge sein.) Prin­zes­sin Leia ist auch schnell gefun­den. Von den Mädels will nur Sil­ke mit­ma­chen. Spä­ter soll Marc sie küs­sen. Han Solos tun so etwas nun ein­mal. Als Beloh­nung für die­sen selbst­lo­sen Ein­satz darf er auch den Darth Vader spie­len. Marc ist einen Kopf grö­ßer als alle ande­ren. Und er kann ras­selnd atmen wie kein Zwei­ter. Als alle Rol­len ver­teilt sind, mer­ken wir erst, dass der Schul­hof gar nicht aus­sieht wie der Wüs­ten­pla­net Tatooi­ne. Und einen Berg, in dem ein gro­ßes Tor auf­geht, gibt es hier auch nicht. Nach eini­gem Über­le­gen schei­tert unser Film­pro­jekt schon vor der ers­ten Klap­pe an nicht zu über­win­den­den, logis­ti­schen Pro­ble­men. Dirk bringt die Kame­ra nach Hau­se und wir gehen Fuß­ball spie­len. Ich bin Rum­me­nig­ge. (Foto ver­öf­fent­licht unter cc by-nc-nd 2.0)

Foto: Matt Schilder

Ein Teil von mir ist gefan­gen an einem Sonn­tag­mit­tag. Ich bin vier­zehn Jah­re alt und sit­ze an mei­nem C‑64. In den letz­ten Stun­den habe ich ein Text-Adven­ture geschrie­ben: »Flucht vom Ster­nen­zer­stö­rer«. In Basic. Ich tip­pe »Run«, drü­cke Return und schon geht es los. Als Luke muss man ver­su­chen, der Gefäng­nis­ab­tei­lung eines impe­ria­len Raum­schiffs zu ent­kom­men. »Hin­ter der nächs­ten Ecke hal­ten drei Storm­tro­o­per Wache. Was tust Du? (a) das Laser­schwert zie­hen und sie angrei­fen (b) R2-D2 für ein Ablen­kungs­ma­nö­ver nut­zen.« Die rich­ti­ge Tas­te führt zur nächs­ten Ent­schei­dung, die fal­sche in den Tod. Ich kom­me gut durch. Als Autor des Spie­les weiß ich ja auch, wel­che Wahl wann zu tref­fen ist. Atta­cke funk­tio­niert nie. Am Ende gelingt die Flucht ohne eine ein­zi­ge Kampf­hand­lung. Viel­leicht hät­te ich die­sen frü­hen Hin­weis auf eine pazi­fis­ti­sche Grund­ein­stel­lung in der Begrün­dung mei­ner Ver­wei­ge­rung erwäh­nen kön­nen. Dass es in mei­nem nächs­ten Mach­werk »Schlacht um Endor« rich­tig abging, hät­te ich in dem Zusam­men­hang natür­lich ver­schwie­gen. (Foto ver­öf­fent­licht unter cc by-sa 2.0)

Foto: Tom Simpson

Ein Teil von mir ist gefan­gen an einem Diens­tag­abend. Ich bin 22 Jah­re alt und der von Onkel Mar­tin geerb­te Löt­kol­ben glüht. In der Küche unse­rer WG bast­le ich an dem Modell eines X‑Wing-Figh­ters. Eigent­lich könn­te ich ein biss­chen für das Refe­rat nächs­te Woche tun. Doch das hat noch Zeit. Erst ein­mal müs­sen die­se ver­damm­ten Käbel­chen an die pas­sen­den Schal­ter gebracht wer­den. Als das Licht im Cock­pit angeht, weiß ich, dass ich auf dem rich­ti­gen Weg bin. Zwei Stun­den spä­ter gehen die Flü­gel auf Knopf­druck in Kampf­stel­lung und eine Stim­me sagt »Red Five stan­ding by«. Ich habe den Olymp des Modell­baus bestie­gen. Ster­nen­zer­stö­rer und Todes­stern waren cool, aber das Ding hier ist elek­tro­nisch. Die Macht ist mit mir. Unter dem Applaus mei­nes Mit­be­woh­ners tra­ge ich die­ses Wun­der­werk der Tech­nik in mein Zim­mer. Dar­auf ein Pik­ko­lö­chen! Jah­re spä­ter bre­che ich bei einem Umzug ver­se­hent­lich das rech­te Trieb­werk ab. Das Stu­di­um schon viel frü­her. (Foto ver­öf­fent­licht unter cc by-nc-nd 2.0)

Ein Teil von mir ist gefan­gen im letz­ten Wochen­en­de. Ich bin 35 Jah­re alt und immer noch über­kommt mich das Star Wars-Fie­ber mehr oder min­der regel­mä­ßig. Den jüngs­ten Schub hat die­se Grup­pe bei flickr aus­ge­löst. Hun­der­te Fotos aus der Zeit, als »Epi­so­de IV« noch schlicht »Krieg der Ster­ne« hieß. Erin­ne­rungs­stü­cke von Leu­ten, die wie ich mit die­sem Welt­raum-Epos auf­ge­wach­sen sind. Und schon sprin­gen die eige­nen Gedan­ken in die Ver­gan­gen­heit. In eine Zeit lan­ge vor unse­rer, in eine weit, weit ent­fern­te Galaxie.

Nach­trag: Inzwi­schen bin ich 38 Jah­re alt, die flickr-Grup­pe exis­tiert bis zum heu­ti­gen Tag. Bes­ser noch: Sie wächst immer wei­ter. Und sie wirkt auf mich immer noch wie damals in die­sem Text beschrie­ben. Ange­lehnt ist der Text übri­gens an ein Lied von Bernd Bege­mann. Ein sehr schö­nes Lied, nach mei­nem Dafürhalten.

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