Ein Stück des Weges gemeinsam

General Anzeiger 3./4. Oktober 2012, Seite 20

Der Tod gehört zu den weni­gen Din­gen, die jedem Men­schen vor­her­be­stimmt sind. Trotz­dem – oder gera­de des­we­gen – ist das Ende des Lebens in der Gegen­wart eines der letz­ten ver­blie­be­nen Tabu­the­men der west­li­chen Welt: Wenn es nicht unbe­dingt sein muss, wird es erst gar nicht ange­schnit­ten. Wo frü­her mit dem Anfer­ti­gen und Her­um­zei­gen von Toten­mas­ken, mit dem Ver­brei­ten der letz­ten Wor­te ein regel­rech­ter Kult betrie­ben wur­de, herrscht heu­te zumeist Schwei­gen. Den Grund dafür sehen Sozio­lo­gen vor allem in der weit ver­brei­te­ten Angst, zwangs­läu­fig auch mit der eige­nen End­lich­keit kon­fron­tiert zu wer­den. Weil eine sol­che End­lich­keit ein­fach nicht in das Selbst­bild des moder­nen Men­schen passt.

Auch Klaus Puzicha hat sich nach eige­nem Bekun­den lan­ge Zeit nicht mit den The­men Ster­ben und Tod beschäf­tigt. Geän­dert hat sich dies erst mit dem Ehren­amt, das der pro­mo­vier­te Psy­cho­lo­ge seit sei­ner Pen­sio­nie­rung aus­übt. Seit nun­mehr zehn Jah­ren beglei­tet Puzicha schwerst­kran­ke Men­schen, denen die Medi­zin kei­ne Hei­lung mehr bie­ten kann. Wie rasant sich die Pal­lia­tiv­me­di­zin in die­ser Zeit ent­wi­ckelt hat und dass heut­zu­ta­ge kein Pati­ent mehr Schmer­zen erlei­den muss, sind neben den zwi­schen­mensch­li­chen Erfah­run­gen die wich­tigs­ten Erkennt­nis­se, die er aus die­ser Tätig­keit zieht. Sie las­sen ihn weni­ger sor­gen­voll über das eige­ne Ende nachdenken.

Der Kon­takt zu den Schwerst­kran­ken wird vom Zen­trum für Pal­lia­tiv­me­di­zin des Bon­ner Mal­tes­er­kran­ken­hau­ses her­ge­stellt, wo sich die­se zum Zeit­punkt des Ken­nen­ler­nens in Behand­lung befin­den. Vom ers­ten Moment an bestimmt ein­zig das Gegen­über, wohin die Rei­se im Gespann gehen soll. »Oft gibt es das Bedürf­nis, uner­le­dig­te Auf­ga­ben zu Ende zu füh­ren«, berich­tet Klaus Puzicha. »Oder abge­bro­che­ne Kon­tak­te zu Ver­wand­ten wie­der auf­zu­neh­men.« Gesprä­che, Bio­gra­phie­ar­beit oder, sofern es der Gesund­heits­zu­stand zulässt, Aus­flü­ge: Bei der Pla­nung der gemein­sa­men Akti­vi­tä­ten rich­tet er sich immer nach den Wün­schen des Ande­ren. In der Fol­ge ent­wi­ckelt sich so schnell eine enge, bei­na­he freund­schaft­li­che Beziehung.

Und obwohl Klaus Puzicha ganz genau weiß, dass er in abseh­ba­rer Zeit – mal sind es Tage, mal Wochen oder Mona­te – um den neu­en Freund wird trau­ern müs­sen, lässt er sich voll und ganz auf die­se Bezie­hun­gen ein. Im Lau­fe der Jah­re hat er für sich einen Weg gefun­den, den Tod des jewei­li­gen Gegen­übers zu ver­ar­bei­ten: Mit eini­gem Abstand schreibt er alle gemein­sa­men Erleb­nis­se nie­der. Die Erin­ne­run­gen, die dabei hoch­kom­men, bil­den den Abschluss sei­ner per­sön­li­chen Trauerphase.

Neben der Pati­en­ten­be­glei­tung hat er eine wei­te­re, the­ma­tisch ähn­lich gela­ger­te Auf­ga­be, die ihm ganz beson­ders am Her­zen liegt: Puzicha nimmt regel­mä­ßig an Tref­fen teil, bei denen Kin­dern und Jugend­li­chen unter dem Titel »Trau Dich Trau­ern« gehol­fen wird, mit dem plötz­li­chen Tod naher Ver­wand­ter, etwa eines Eltern­teils, umzu­ge­hen. Hier ler­nen sie, den Ver­lust zu the­ma­ti­sie­ren. Hier wer­den ihnen Wege auf­ge­zeigt, des­sen trau­ma­ti­sie­ren­de Wir­kung abzu­fe­dern. Auch die­se Tätig­keit ist nicht unbe­dingt von Leich­tig­keit geprägt. Den­noch möch­te Klaus Puzicha solan­ge wei­ter­ma­chen, wie es ihm nur irgend mög­lich ist. Denn sel­ten, so sagt er, habe er etwas der­art Sinn­vol­les in sei­nem Leben getan wie in sei­nen Ehrenämtern.

Seit eini­ger Zeit erstel­le ich für die Lokal­re­dak­ti­on des Gene­ral Anzei­gers eine Por­trät­se­rie über Bon­ner Bür­ger, die sich auf ver­schie­dens­ten Wegen ehren­amt­lich betä­ti­gen. Dies ist einer der Arti­kel, die in die­sem Zusam­men­hang ent­stan­den sind.

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