Capitol Aachen: Zurück in die Zukunft

Capitol Aachen

Tech­nik hoch­mo­dern, Ambi­en­te wie in den 50er Jah­ren: Nach bei­na­he einem Jahr vol­ler Umbau- und Sanie­rungs­maß­nah­men hat Aachen am Seil­gra­ben ein neu­es altes Kino.

Das Kino war schon immer ein Ort, an dem Besu­cher in eine ande­re Welt ent­führt wer­den soll­ten. Für gewöhn­lich kam und kommt die­se Auf­ga­be den gezeig­ten Fil­men zu. Beim Capi­tol am Aache­ner Seil­gra­ben liegt die Sache ein wenig anders: Hier ver­sprü­hen schon das Gebäu­de und sei­ne Ein­rich­tung selbst den Charme einer ande­ren Welt. Spä­tes­tens beim Betre­ten des Vor­füh­rungs­saals fühlt man sich wie durch ein Loch im Raum-Zeit-Kon­ti­nu­um gefallen.

Nach umfang­rei­chen Umbau- und Sanie­rungs­maß­nah­men, die bei­na­he das kom­plet­te Jahr 2014 in Anspruch nah­men, atmet das Capi­tol den Geist der 1950er Jah­re, der Zeit sei­ner Ent­ste­hung. Stil­si­cher hat Betrei­ber Leo Stürtz der Aache­ner Kino­land­schaft mit ihren rund 20 Lein­wän­den eine bis dato nicht gekann­te Facet­te hin­zu­ge­fügt: ein zeit­los schö­nes Design-Kino für Genie­ßer – sowohl in cine­as­ti­scher, wie auch in archi­tek­to­ni­scher Hinsicht.

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Beinfreiheit und Currywurst

Bis ins kleins­te Detail wur­de das Gebäu­de in sei­nen Urzu­stand ver­setzt. Kos­ten hat Leo Stürtz dabei nicht gescheut. Allei­ne die Wie­der­her­stel­lung des Mosa­iks an der Fas­sa­de warf Aus­ga­ben im fünf­stel­li­gen Bereich auf. Und auch im Inne­ren war das Bes­te gera­de gut genug. Zwi­schen den gemüt­li­chen Desi­gner-Ses­seln im Par­kett ste­hen edle Nie­ren­ti­sche mit dimm­ba­ren LED-Lam­pen in Retro-Optik.
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Müll­frei Glas statt Pap­pe: Pas­send zum Grün der Sit­ze und des Vor­hangs wird im Cate­ring des Capi­tol soweit mög­lich auf wie­der­ver­wend­ba­re Ver­pa­ckun­gen gesetzt.

Groß­zü­gig wird mit dem vor­han­de­nen Raum umge­gan­gen – auch im Ober­rang. Im Namen der Bein­frei­heit wur­den hier die Sitz­rei­hen von acht auf fünf redu­ziert. Ins­ge­samt 124 Zuschau­ern bie­tet das Capi­tol Platz: 41 unten, 83 oben. Jeder ein­zel­ne kann sich räkeln und stre­cken wie er möch­te, ohne auch nur im Ent­fern­tes­ten Gefahr zu lau­fen, ande­ren damit den Film­ge­nuss zu ver­mie­sen. Weni­ger ist mehr: Sel­ten pass­te die­ser Spruch besser.

So beson­ders wie das Ambi­en­te stellt sich auch die kuli­na­ri­sche Ver­sor­gung der Kino­be­su­cher dar: An die Büh­ne schmiegt sich eine The­ke, an der zwi­schen Ein­lass und Vor­stel­lungs­be­ginn Spei­sen und Geträn­ke gereicht wer­den. Mit her­kömm­li­chem Kino-Cate­ring hat das Gebo­te­ne wenig zu tun. Es gibt Cur­ry­wurst, Cock­tails und Wein.

DSC_5185»Das Foy­er bot wenig Platz für ein Ver­zehr­an­ge­bot. Wir brauch­ten also eine ande­re Lösung«, berich­tet Leo Stürtz aus der Pla­nungs­pha­se. »Die Idee einer Bar im vor­de­ren Bereich des Saals ist von man­chem als sehr mutig bezeich­net wor­den. Aber die­ser Mut hat sich bezahlt gemacht.« Das Ange­bot wird her­vor­ra­gend ange­nom­men. Manch ein Gast schaut sich sogar das Vor­pro­gramm noch vom Bar­ho­cker aus an. Danach geht es ganz in Ruhe zu den Plät­zen. Dass die The­ke beim eigent­li­chen Film nicht im Weg steht, ver­steht sich von selbst. Auf der­lei Fein­hei­ten wur­de bei der Kon­zep­ti­on des Raums beson­ders achtgegeben.

Gute Leute im Boot

Dass sich das Capi­tol in ein der­ar­ti­ges Schmuck­stück ver­wan­delt hat, liegt für Leo Stürtz dar­an, dass wäh­rend der Sanie­rung so vie­le »gute Leu­te mit im Boot« waren. Wie etwa die Koblen­zer Archi­tek­tin Brit Schnei­der, die ihre Erfah­rung mit Kino­sa­nie­run­gen in die Waag­scha­le warf, um die vagen Vor­stel­lun­gen des Bau­herrn in kon­kre­te Plä­ne zu ver­wan­deln. Voll­endet ist das Gesamt­werk Capi­tol in des­sen Augen aber mit der Wie­der­eröff­nung noch nicht: »Die gro­ßen Maß­nah­men sind voll­zo­gen, jetzt gilt es, an den klei­nen Schrau­ben zu dre­hen, um das Erleb­nis für den Zuschau­er zu perfektionieren.«
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Wer­be­frei Bewusst ver­zich­tet das Capi­tol auf das Aus­strah­len von Wer­bung. Leo Stürtz: »Wir zei­gen im Vor­pro­gramm aus­schließ­lich Trai­ler, bei außer­ge­wöhn­lich kur­zen Haupt­fil­men zudem einen Kurz­film zur Einstimmung.«

Klei­ne Schrau­ben wie etwa die Auf­tei­lung des Ange­bots an der Bar, um die War­te­zei­ten zu mini­mie­ren. Auch auf der Suche nach größt­mög­li­cher Kun­den­zu­frie­den­heit zeigt sich die Detail­ver­liebt­heit des Betrei­bers. Dazu gehört auch die eine gro­ße Sache, die vom Kon­zept des 50er-Charms abweicht: Die Kino­tech­nik selbst ist auf dem aller­neu­es­ten Stand. Erst weni­ge Wochen vor der Eröff­nung kam etwa die Bild­wand auf den Markt. Dem zeit­ge­mä­ßen Film­ge­nuss im zeit­lo­sen Ambi­en­te steht also nichts im Weg.

Eine leicht gekürz­te Fas­sung die­ses Arti­kels stand in der Febru­ar-Aus­ga­be des Aache­ner Stadt­ma­ga­zins »Klen­kes«. Kom­men­den Sonn­tag wird im Capi­tol die Oscar-Ver­lei­hung live über­tra­gen. Ein paar Infos dazu drü­ben beim »Klen­kes«.

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