Apollo-Kino in Aachen: Handverlesene Filme mit moderner Technik

Klenkes Oktober 2014, Seite 8

Vom Movie über Dia­na und Capi­tol bis zum Apol­lo: Dank zwei­er Film­freun­de hat das Pro­gramm­ki­no in Aachen einen wei­ten Weg zurückgelegt.

Wenn Hans-Peter Coe­nen und Wal­ter Ren­der ins Erzäh­len gera­ten, kann man als Zuhö­rer schon mal mit den Ohren schla­ckern. In sei­ner bis­he­ri­gen Zeit als Kino­be­trei­ber hat das Duo Etli­ches erlebt, das das Zeug zur unter­halt­sa­men Anek­do­te hat: wie etwa die Epi­so­de mit Chris­toph Schlin­gen­sief, der das Audio­sys­tem ihres Kinos ein­mal an sei­ne Laut­stär­ke­gren­zen trieb. Oder die Geschich­te von der Pre­mie­ren­fei­er im Wohn­zim­mer Rosa von Praun­heims. Oder der Besuch von Russ Mey­er in Aachen, der erstaun­lich freund­lich und nor­mal war – so freund­lich, dass er sogar der »Bier­front« spon­tan ein Inter­view gab.

Ren­der und Coe­nen erin­nern sich nicht nur an jedes Detail, sie kön­nen ihre Erin­ne­run­gen auch poin­tiert zum Bes­ten geben. Die­ser Hang zu guten, bis­wei­len hin­ter­grün­di­gen Geschich­ten ist wohl eine wich­ti­ge Vor­aus­set­zung für ihren Beruf. Wie sonst könn­ten die bei­den schon über drei Jahr­zehn­te lang all die­se Fil­me nach Aachen holen, die gemein­hin nicht unter dem Label »Block­bus­ter« abzu­hef­ten sind?

Goldene Zeiten

Seit 33 Jah­ren haben sich Coe­nen und Ren­der dem Pro­gramm­ki­no ver­schrie­ben, dem Art­haus. Am 15. August 1981 lief erst­mals ein Pro­jek­tor in ihrem eige­nen Kino an – im Movie am Kai­ser­platz. Ende 1983 kam mit dem Dia­na in Burtscheid ein zwei­tes Licht­spiel­haus dazu. »In Sachen Aus­stat­tung waren wir mit dem Dia­na nahe­zu revo­lu­tio­när«, erin­nert sich Wal­ter Ren­der. »Wir hat­ten Hoch­pols­ter­stüh­le, die ers­te Dol­by-Ste­reo­an­la­ge in Aachen und im Gegen­satz zum Movie sogar einen funk­tio­nie­ren­den Vorhang.«

Rol­len­ver­tei­lung Man­chen Film muss­ten sich Ren­der und Coe­nen mit Kinos in Köln tei­len. Zu jeder Vor­stel­lung wur­de die rie­si­ge Rol­le im Auto an den Rhein geschip­pert – und danach zurück nach Aachen.

Revo­lu­tio­när auch, was in ihren Häu­sern damals neben den Fil­men los war. Regel­mä­ßig wur­den Trai­ler­shows gezeigt, nach denen die Besu­cher per Ankreuz­lis­te ent­schei­den konn­ten, wel­che Fil­me dem­nächst lau­fen soll­ten. Von Zeit zu Zeit sang das gesam­te Kino im Kanon »Der Hahn ist tot«. Eine Tra­di­ti­on, die sich »irgend­wie so erge­ben hat«, wie Hans-Peter Coe­nen erzählt. Wie sich über­haupt eini­ges so ergab in die­ser, dem Ver­neh­men nach gol­de­nen Zeit des Pro­gramm­ki­nos, in der auch schon ein­mal Stars wie Han­na Schy­gul­la oder Wim Wen­ders in Aachen zu Gast waren.

Bei »Stop making Sen­se«, einem Film der Tal­king Heads, konn­te es auch schon ein­mal vor­kom­men, dass alle Leu­te im Zuschau­er­raum spon­tan auf­spran­gen und los­tanz­ten. Coe­nen: »Im Grun­de war das schon Mit­te der 80er Jah­re die aller­ers­te Par­ty, die wir in einem Kino ver­an­stal­tet haben.«

The Blues Brothers

In der Gegen­wart gehö­ren Par­tys im Kino von Ren­der und Coe­nen zum guten Ton. Movie und Dia­na hin­ge­gen sind längst geschlos­sen, eben­so wie das Capi­tol. Knapp ein Jahr­zehnt lang hat­ten die bei­den das Kino am Seil­gra­ben betrie­ben, ehe Ende Dezem­ber 2013 die letz­te Vor­stel­lung lief. Gegen­wart und Zukunft ihres Kino­be­triebs lie­gen in der Pont­stra­ße. Seit Juli 2003 – anfangs noch unter ande­rem Namen – prä­sen­tie­ren sie ihr Pro­gramm in den drei Sälen des Apol­lo. Seit 2006 fun­giert das Kino auch und gera­de am Wochen­en­de als Partylocation.

Von der Rol­le Rol­len-Sha­ring ist heu­te out. Die Fil­me im Apol­lo laufen
nicht mehr vom Pro­jek­tor. Seit der Moder­ni­sie­rung im Jahr 2010 funk­tio­niert alles digital.

Manch jun­ger Gast kennt das Apol­lo sogar aus­schließ­lich als Tanz­saal. »Ach, hier ist auch ein Kino?!« Die­sen erstaun­ten Aus­ruf hat Wal­ter Ren­der schon das eine oder ande­re Mal gehört. »Kino hat ein­fach nicht mehr den Stel­len­wert wie damals.« Resi­gna­ti­on möch­ten er und Hans-Peter Coe­nen dabei nicht mit­klin­gen las­sen. Im Gegen­teil, sie haben sich und ihr Haus einem fes­ten Vor­ha­ben ver­schrie­ben. »Wir möch­ten unse­ren Teil dazu bei­tra­gen, das Kino wie­der zurück in die Gesell­schaft zu tra­gen.« Ihren Weg hin zu die­sem ambi­tio­nier­ten Ziel haben sie klar vor Augen: Hand­ver­le­se­ne Fil­me, die sie mit moder­ner Tech­nik zeigen.

An Kri­ti­ken und Vor­ab­einschät­zun­gen ori­en­tiert sich das Duo nicht. Statt­des­sen ver­las­sen sich Coe­nen und Ren­der nahe­zu aus­schließ­lich auf ihre eige­nen Ein­drü­cke. Film- und Art­haus­fes­ti­vals gehö­ren für sie zum fes­ten Jah­res­pro­gramm. Rund 70 Pro­zent der Fil­me, die im Apol­lo lau­fen, haben sie vor­ab selbst gese­hen. Der eine oder ande­re »kal­ku­lier­te Flop« (Hans-Peter Coe­nen) ist immer dabei – gemeint sind Fil­me, die die brei­te Mas­se nicht anspre­chen, von den bei­den aber den­noch als unbe­dingt zei­gens­wür­dig erach­tet werden.

Cinema Paradiso

Man­chen Strei­fen zei­gen sie in der »Vier«. So heißt der Par­ty­saal, wenn er zum Vor­stel­lungs­raum umfunk­tio­niert wird. Dort lau­fen Pro­duk­tio­nen, bei denen von vorn­her­ein klar ist, dass sie nur ein Spar­ten­pu­bli­kum anspre­chen wer­den. Wal­ter Ren­der: »Sol­che Fil­me wären im regu­lä­ren Rah­men nicht zeig­bar. Wir wol­len sie aber den­noch prä­sen­tie­ren, weil wir sie für wich­tig hal­ten.« Idea­lis­mus und Lie­be zum beson­de­ren Film: Auch das sind Eigen­schaf­ten, die die Betrei­ber des Apol­lo ausmachen.

Umso erfreu­li­cher sind da die­je­ni­gen Fil­me, die wider Erwar­ten durch die Decke gehen. So wie erst neu­lich »Mon­sieur Clau­de und sei­ne Töch­ter«. Aachen-exklu­siv lief der fran­zö­si­sche Kas­sen­schla­ger fünf Wochen lang im Apol­lo – ein kal­ku­lier­ter Flop, der zu einem unkal­ku­lier­ten Erfolg wur­de. Freu­di­ge Erleb­nis­se wie die­se sind es, die den bei­den Kino­ma­chern Dri­ve für wei­te­re Pro­jek­te geben. Die ihnen zei­gen, dass das Kino doch nicht so tot ist, wie es von man­chem Unken­ru­fer gesagt wird.

Zehn bis 15 Jah­re wol­len sie nach jet­zi­gem Stand noch wei­ter­ma­chen. Und wer weiß: Viel­leicht gelingt es ja wirk­lich, dem Licht­spiel­haus wie­der mehr Bedeu­tung zu ver­schaf­fen. Ein neu­es Kas­sen­sys­tem inklu­si­ve Online­bu­chung soll künf­tig schon ein­mal dem jün­ge­ren Publi­kum neue Anrei­ze geben.

Die­ser Text über die bei­den Cine­as­ten Ren­der und Coe­nen stand so ursprüng­lich in der Okto­ber-Aus­ga­be des Aache­ner Stadt­ma­ga­zins »Klen­kes«.

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